Der Pflichtteil ist jener Teil des Nachlasses, der dem Angehörigen durch Testament nicht entzogen werden kann.
Im deutschen Rechtsystem herrscht sogenannte Testierfreiheit: damit ist die Freiheit einer Person gemeint, nach ihrem Belieben Verfügungen von Todes wegen zu treffen.
Normalerweise gilt die gesetzliche Erbfolge. Hier hat der Gesetzgeber entschieden, wer zuerst und wie viel von der Erbmasse bekommt. Testierfreiheit bedeutet in der Praxis, dass jede Person davon abweichen darf und selbst entscheidet, was mit seinem Vermögen nach seinem Tod passieren soll. Man ist also nicht verpflichtet, seine nächsten Verwandten (z.B. Kinder) zu berücksichtigten und kann Sie enterben. Der letzte Wille des Erblassers soll und muss immer berücksichtigt werden, genießt also einen hohen Schutz.
Ganz so einfach ist es aber nicht, denn: Der Gesetzgeber hat dieses Recht eingeschränkt.
Die §§ 2303-2338 BGB garantiert den ganz nahen Verwandten und Familienmitglieder des Erblassers, v.a. den Kindern, einen Anteil am zu vererbenden Vermögen des Verstorbenen. Ein wesentlicher Unterschied zwischen Erb- und Pflichtteilsrecht ist, dass es sich wie der Name schon sagt um einen „Anspruch“ handelt. Der Pflichtteilsberechtigte muss ihn also geltend machen, weil das Vermögen anders als auf den Erben nicht automatisch übergeht.
Nach einem Erbfall beginnt das zuständige Nachlassgericht die Ermittlungen der Erben – dafür berücksichtigt es alle Testamente, die es kennt und ermittelt auch im Personenstandsregister nach ggf. existierenden Pflichtteilsberechtigten. Findet es solche Personen schreibt das Gericht und informiert die Betroffenen.
In einem solchen Schreiben werden Pflichtteilsberechtigte jedoch nur über ihre Rechte informiert. Diese Rechte wahrzunehmen steht in der Verantwortung der Betroffenen.
Man muss man selbst um Auskunft über das Erbe kümmern und den Wert des Nachlasses bzw. seines Pflichtteilsanspruches ermitteln lassen (siehe § 2314 BGB), und seinen Anteil dann geltend machen. Der Anspruch unterliegt auch der normalen Verjährungsfrist von 3 Jahren.
Der Natur der Sache geschuldet gibt es zwei Perspektiven:
- Man ist Pflichtteilsberechtigter – und hat wie oben erwähnt ein Schreiben durch das Nachlassgericht bekommen.
Typische Problemstellungen, die eine anwaltliche Beratung erforderlich machen könnten sind:
- Kontaktaufnahme zum eingesetzten Erben.
Es gibt durchaus Fälle in denen man über den Tod des Verwandten erst durch das Nachlassverfahren erfährt. Manche sind im Streit auseinander gegangen oder haben in ihrem Leben aus anderen Gründen nie in Kontakt gestanden.
Es erfordert daher oft Überwindung fremde oder gar verhasste Menschen anzuschreiben.
- Uneinigkeit, ob das fragliche Testament wirksam ist bzw. wie es auszulegen ist.
Häufig gibt es Sachverhalte, bei denen Angehörige sich vermeintlich als Erben gesehen haben und sich dann – zusätzlich zur Trauer um den Tod eines geliebten Menschen – auch noch mit dem Schock eines neueren Testaments auseinandersetzen müssen.
- Die Berechnung des Anspruchs kann in manchen Fällen für sich gesehen komplex sein. So werden beispielsweise größere Schenkungen, die der Verstorbene noch zu Lebzeiten getätigt hat abhängig vom Zeitpunkt mitberücksichtigt.
- Ein Pflichtteilsanspruch kann sich in manchen Fällen sogar ergeben, wenn man zwar mit einem Vermächtnis bedacht wurde, dieses aber von geringerem Wert als der Pflichtteil ist.
Bitte beachten Sie, dass diese Aufzählung lediglich exemplarisch und nicht abschließend ist.
Ob ein Pflichtteilsanspruch nun vor Gericht geltend gemacht werden muss, ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig und sollte erst das letzte Mittel der Wahl bleiben. Im Vorfeld prüfen Rechtsanwälte, ob der Anspruch tatsächlich besteht und wie man ihn am einfachsten durchsetzen kann, um eine zufriedenstellende Lösung finden zu können. Häufig ist auch die gütliche Einigung das Mittel der Wahl, um den Frieden innerhalb eines ohnehin schon belasteten Familienverhältnisses zu wahren.
Sollten Sie im Zuge eines Todesfalls innerhalb Ihres näheren familiären Umfelds betroffen und im Testament des Angehörigen nicht berücksichtigt worden sein, ist es dringend notwendig, seinen Pflichtteilsanspruch zu prüfen oder prüfen zu lassen. Um unbillige oder enttäuschende Ergebnisse abwenden zu können, steht Ihnen die Rechtsanwaltskanzlei Hufnagel in Regensburg und München mit Expertise im Erbrecht zur Verfügung und möchte bestmögliche Beratung gewährleisten.
Zu 2. (Perspektive des Erben) finden Sie nächste Woche einen gesonderten Beitrag.
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